Weshalb wolltest du mit HEREDITARY dein Spielfilmdebüt wagen?
Ehrlich gesagt war HEREDITARY nicht mein erster Versuch, einen Langfilm zu drehen. Es ist sehr schwer, einen Film erfolgreich zu finanzieren, erst recht, wenn es dein erster ist. Vielleicht ging ich auch ambitionierter zu Werke, als man es als Debütant tun sollte, und vielleicht hat es deshalb vorher nicht geklappt. Ich fand letztlich heraus, dass es für mich am einfachsten wäre, einen Horrorfilm finanziert zu bekommen, da dort öfters Debütanten herangelassen werden. Deshalb entschied ich mich, so einen zu schreiben. Fortan drehte sich für mich alles um die Frage, was für eine Art Horrorstreifen ich machen möchte und was mein Beitrag für dieses Genre sein soll. Und so kam dabei am Ende HEREDITARY heraus.
Weshalb hast du den Film den Produzenten eher als Familiendrama denn als Horrorstreifen gepitcht?
Ich habe den Film nicht nur als einfaches Drama möglichen Finanziers vorgestellt. Ich habe HEREDITARY als Familientragödie gepitcht, welche sich in einen Albtraum verwandelt. Natürlich war es ein Horrorfilm, aber um nicht gleich in eine bestimmte Schublade gesteckt zu werden und genügend Beinfreiheit bei der Herstellung meines Films zu haben, musste ich meine Ideen zunächst auf andere Weise präsentieren. Bei mir reiht sich auch nicht ein Schockmoment an den anderen, sondern die Figuren machen eine richtige inhaltliche Entwicklung durch. Der Horror kommt nicht einfach so, sondern ergibt sich aus seinen Charakteren heraus. Und nur dann, wenn die Figuren echt und glaubhaft sind, erschrecken die Horrorelemente einen nicht nur, sondern sie nehmen dich auch emotional mit. Bevor ich also überhaupt an Horrorelemente denken konnte, musste ich ein gelungenes Familiendrama inszenieren. Gleichzeitig gibt es in diesem Genre gewisse Gesetze, die jeder einhalten muss. Ich hoffe, dass ich meinen Ansprüchen am Ende gerecht geworden bin.
Was waren die Schlüsselelemente, damit HEREDITARY verstörender wirkt als andere Filme?
Meine Intention war, im ersten Drittel ein Sittengemälde zu zeichnen, das am Ende des ersten Akts auf den Kopf gestellt wird. Einer der Personen passiert etwas, von dem ich hoffe, dass es niemand vorher kommen sieht. Denn mir ist es wichtig, dass es den Zuschauern meines Films genauso ergeht wie den Figuren, denen sie zusehen. Der Zuschauer soll dasselbe Gefühl des Verlustes spüren wie die Personen im Film. Ich hoffe wirklich, dass es mir gelingt, eine synthetische Verbindung zwischen dem Zuschauer und den Charakteren zu entwickeln, denn dies ist von essenzieller Bedeutung für das Funktionieren von HEREDITARY. Denn er nimmt uns so sehr mit und ist so effektiv, da wir mit seinen Charakteren emotional stark verbunden sind. Und je mehr Empathie eine Figur auf dich ausstrahlt, desto stärker werden dich die Ereignisse emotional mitnehmen. HEREDITARY soll sich am Ende für den Zuschauer optimalerweise so anfühlen, als ob die schlimmen Ereignisse nicht den Figuren widerfahren, sondern ihm selbst.
Hattest du Vorbilder beim Drehen von HEREDITARY?
Es gibt viele Filmemacher, die ich toll finde. Nicolas Roeg zum Beispiel und den frühen Roman Polanski. WENN DIE GONDELN TRAUER TRAGEN war ein Film, über den wir viel gesprochen haben. Generell waren die Werke, mit denen wir uns in der Vorproduktion von HEREDITARY auseinandergesetzt haben, eher keine Horrorstoffe, sondern Familiendramen wie IN THE BEDROOM und DER EISSTURM. Auch ALL OR NOTHING stand für uns auf dem Programm. Es ging dabei vor allem darum, beim Schreiben von HEREDITARY möglichst gute Inspiration für Erzählungen zu finden, in denen die persönlichen Hintergründe von Charakteren im Zentrum der Geschichte stehen und nicht so sehr die Ereignisse selbst.
Für dich ist HEREDITARY also eher ein Familiendrama mit Horrorelementen als umgekehrt?
HEREDITARY ist ein Familiendrama, das zu einem
Horrorfilm wird.
Wie schwer war es, für deinen Debütfilm bekannte Stars wie Toni Collette und Gabriel Byrne zu gewinnen?
Es war wirklich verdammt schwer, Leute zu überzeugen, vor allem weil das letzte Drittel von HEREDITARY von normaler Logik in die Logik eines Albtraums übergeht. Die Erste, die dann aber irgendwann an Bord war, war Toni Collette. Sie hatte nach dem Lesen des Skripts eine sehr gute Vorstellung davon, was aus dem abstrakten Schriftlichen am Ende auf der großen Leinwand werden könnte. Zudem wollte sie sich der Herausforderung stellen, eine solch besondere Figur zu spielen. Als wir Toni an Bord hatten, ergab sich der Rest gefühlt fast von allein. Schauspieler konnten überzeugt werden, und auch die Finanzierung stand endgültig. Toni Collette war also der Schlüssel dafür, dass es HEREDITARY am Ende tatsächlich geben konnte.
Wie war es am Set: Konntest du da dein Ding machen, oder wurdest du kritischer beäugt und hat man dir reingeredet, weil du deinen ersten Spielfilm gedreht hast?
Ich kann mit großer Freude versichern, dass der Film, der am Ende in die Kinos kommt, von der Essenz her genau der ist, den ich ursprünglich geschrieben habe. Natürlich werden immer wieder kleinere Änderungen vorgenommen. Aber ich musste bei nichts Kompromisse eingehen, was für HEREDITARY von großer Bedeutung war oder dessen Aussage oder Stil substanziell verändert hätte. Darüber bin ich wirklich sehr glücklich, denn so etwas ist leider nicht immer selbstverständlich.
Wärst du offen für eine Fortsetzung?
Ich habe bereits eine Idee für ein mögliches Sequel. Allerdings ist dieses recht ungewöhnlich, und ich würde nur zustimmen, mich an eine Fortsetzung zu setzen, wenn ich diese Idee auch genau so umsetzen dürfte. Aber zunächst müssen wir erst einmal abwarten, wie HEREDITARY läuft, bevor überhaupt über ein mögliches Sequel gesprochen werden kann.
Interview: Heiko Thiele, Deadline Magazin